WG21 – Briefentwurf an Alma Mahler
Neubabelsberg, zwischen Mittwoch, 27. und Sonntag, 31. Juli 1910
Alles was Du schreibst
ist ganz im Einklang
mit der Stimmung in der
ich eben bin. Was ich lese
ist wirklich ein zweites
Ich – Selbst.
Ein Bild von mir willst
Du bald haben, ich war bei
verschiedenen Freunden, um
Aktaufnahmen nach Deinem
Wunsche zu haben, aber alle
sind verreist. Du mußt nun
mit einem Fotografen –
Kopfbild Bild von mir
vorlieb nehmen, das ich gleich
nach meiner Rückkehr machen
lassen werde; aber ich habe
kein Fotografiergesicht, mach
Dich gefaßt, daß es nichts wird.
Ich liebe Dich, ein ewig
neuer Klang in denselben
Worten wiederkehrend
wie ein geniales Leit-
motiv in tausend
Klangfarben immer wieder
kehrt und das oft an dem
erst fremden \seltsamen/ Klang gewöhnt
und mehr u mehr entzückt
so setzest Du in Deinen
Briefen die 3 schönsten Worte
die es giebt, und die eine
ganze Welt in sich tragen
auf jede Seite Deiner Briefe,
bald \aber sie ### wie einer schmerzend/ nackt und leidenschaftlich
bald weich und leise \flüsternd u/ mit
Guirlanden umwunden
süßen Worten umwunden
lyr fragend u hoffend
lyrisch \### ### aller ###/ oder mit epischer Breite
\Ich sah Dich wieder/
Wie in jener unvergeßlichen
dritten Nacht, in der
Du lehntest Dein liebes
müdes Haupt an meine
Brust und schliefst so befreit
friedvoll und erlöst in
meinen Armen \ein/. Es war\en/
die absolut glücklichsten Stunde\n/
meines \bisherigen/ Lebens. ich fühlte
Dich so restlos vollkommen
in meinem Besitz, nachdem
\war Dein Ritter, Dein Beschützer/
Du Dich in ##haltlose
Hingebung mir ein einziges
großes Verlangen trugst.
Solche Nacht müssen
wir wiederfinden für
unser Kind, es bedeutet
ein[en] Aufschwung \###/
Du weißt wie sehr auch
ich nach einem Bilde von
Dir seufze, hast Du jemand
gefunden, der Dich auch wü \Dessen würdig ist/
eins von Dir zu machen?
In dem Hute, als Du
von mir Abschied
nahmst oder dem großen
New Jorker [!] mit allen
4 Schildpattnadeln?
Ich bin ja so unbe
selig daß Du in diesen
kleinen Dingen der Pietät
genau so fühlst wie
ich, daß Du die Rosen-
blätter geküßt hast
wie ich! Ach Liebste,
eine einzige Haarlocke
von Dir würde mich
ber##.
Ich las einmal bei
das Urteil eines geistvollen
Laien über Musik. Der
musikalische Wertmesser sei
ihm der folgende. Wenn ihm
Musik die Gedanken mit
denen er sich \gerade/ beschäftigt
idealisiert, so sei die Musik
vortrefflich, müsse er an
die Musik denken, so sei
sie Stümperei. Mir geht
es akkurat so, kannst
Du dich noch e dahinein
versetzen durch all die
Schr Hemmnisse des
wissenden Fachmannes?
von Dir
voll Leiden u Melancholie
Ich durchfliege jede Zeile
Deines Briefes Du willst
einen Buben von mir haben.
Du! – ich \hörst du mich/ jauchze\n/? an
Für diesen Sohn will
ich alles hingeben, alles
aufs Spiel setzen, denn
sch Wäre er doch erst
Laß ihn nur bald er-
schaffen, unser Begehren
kann nie mehr größer
werden. – Sonntagnacht
hast Du mir einzig
schön darüber geschrieben
es liegt wirklich der Hauch
der Nacht und die Lieb-
lichk der Duft Deines
Schlafgemachs auf diesen
Zeilen. Sie sind so zart
keusch und zart, daß ihnen
das Tageslicht wehe tun
muß.
Nach Deiner Musik
sehne ich mich geradezu.
Ich weiß ich fühle wieviel
Du mir da sein kannst.
Musik – Arch.[itektur] sind Schwestern
Du könntest mich Be-
geisterung in mir erwecken.
Apparat
Überlieferung
, , , , , , , , , , , .
Quellenbeschreibung
6 Bl. (7 b. S.) – Notizblock.
Druck
Erstveröffentlichung.
Datierung
Wie der vorhergehende (WG20) ist auch dieser Briefentwurf eine Antwort auf AM8, dessen Eintreffen bei WG aufgrund einer fehlenden Briefmarke nicht eruiert werden kann. Der frühestmögliche Zeitpunkt der Ankunft von AM8 und damit des Verfassens von WG21 ist der 27. Juli 1910, während der 31. Juli den spätestmöglichen Zeitpunkt darstellt, da WG einen Tag darauf den Brief AMs erhielt, der ihn von der Aufdeckung der Affäre wissen ließ (AM10).
Übertragung/Mitarbeit
(Marie Apitz)
(Jannik Franz)
Rückkehr – geplante Reise nach Pommern. Aufgrund der folgenden Ereignisse trat diese Reise erst im September 1910 an, s. WG76 vom 29. September 1910.
Rosenblätter – s. WG15 vom 23. Juli 1910.
Stendhal – entnahm seine Gedanken , vor allem den Kapiteln 13 und 15 des ersten Buches sowie dem Abschnitt 319 des dritten Buches („Aphorismen“). Jedenfalls sollte an schicken, s. AM14 vom 8. August 1910.
Sonntagnacht – AM7 von Sonntag nacht, 24. Juli 1910.